Mindpower im Juni: Das große Aussortieren – Was in der PE-Szene grade irgendwie schief läuft

Mindpower im Juni: Das große Aussortieren – Was in der PE-Szene grade irgendwie schief läuft

„Juni“ – das klingt so sommerlich leicht, ganz harmlos und fluffig. Dabei hatte es der Juni für uns mächtig in sich. Gerne hätte ich euch einen bunten Strauß toller neuer Blogs, Podcasts und Ideen gebunden. Doch der Juni hat uns ganz schön runtergeholt von den Höhenflügen. Aber auch wenn das mächtig nach großer Entzauberung klingt (was es auch irgendwie war) – es hatte sein Gutes. Aber ich muss jetzt mal ein ernstes Wörtchen mit euch reden.

Luisa und ich hatten im Juni plötzlich ein ganz blödes Gefühl bei der ganzen Sache hier. Nicht, weil wir an unserem Projekt Zweifel hätten. Aber Zweifel, ja, Zweifel haben wir schon. Und zwar an so manchem, was unsere leidenschaftlich geliebte Branche, die sich so melodisch „Persönlichkeitsentwicklung“ schimpft (im folgenden einfach mit „PE“ abgekürzt, was zwar wie eine Art Syndrom klingt, aber was solls), inzwischen so hervorbringt.

An Blödsinn.

Wobei Blödsinn ein hartes Wort ist, das es auch nicht ganz trifft. Es ist vielmehr so als hätte man etwas, das grundsätzlich eigentlich ganz gut ist (wie Vitamintropfen oder so) literweise in sich hineingeschüttet und merkt nun gar nicht mehr, dass man total manisch über eingebildete Blumenwiesen steppt und einfach total drauf ist. Die Dosis macht nun mal das Gift. Und so schön die eingebildete Blumenwiese auch ist – das ganze hilft uns nicht wirklich. Nicht im Alltag. Nicht im echten Leben jenseits der PE-Filterbubble.

Eine kleine Systemkritik

Es gibt ein paar Dinge in der „PE-Szene“, die gelten inzwischen landein landaus als „der Shit“. Die Rede ist von Wunderwaffen, immer gerne auch „Tools“ genannt, die Deine Probleme im Handumdrehen ins Positive verkehren, Deine Welt ganz schnell wieder schön bunt und Dein Herzchen wieder happy machen können. Wie immer aber sollte man skeptisch werden, wenn sich Dinge zu gut anhören, um wahr zu sein. Dann sind sie es nämlich oft nicht. Es folgt eine kurze Abrechnung.

Hilfe, wie kann ich die Dinge nur wieder positiv sehen?

„Manchmal weiß ich einfach nicht, wie ich positiv denken soll. Was macht ihr denn so, um wieder positive Gedanken zu haben?“ – fragte sie einst in die Runde. Ich weiß nicht, was das mit diesem positiven Denken ist und warum so viele so krampfhaft positiv denken wollen. Es geht nicht immer und das ist auch in Ordnung so. Auf der Welt läuft nahezu alles in Wellen, in Zyklen, in Phasen – das gilt auch für uns und unsere Gefühle. Manchmal ist einfach alles scheiße und das darf auch mal so sein. Ich bin fest überzeugt, dass es einen Unterschied gibt zwischen phasenweise auftretenden negativen Gedanken und Gefühlen und einem grundlegenden Pessimismus oder gar einer Depression. Es reicht ganz tief in Euch drin eine Art grundsätzliche Zuversicht zu haben. Ein winzig kleines Stimmchen, das euch auch im tiefsten Jammertal ins Ohr flüstert “ Es wird auch wieder besser. Auch das geht vorbei.“ Dann ist es auch gar nicht nötig, immer positiv denken zu wollen. Wir können nun mal nicht täglich im Konfettiregen stehen. Manchmal ist, was von oben kommt, eben einfach nur Mist. Statt Positivität plädiere ich für Gleichmut, für Gelassenheit, fürs Loslassen (im Sinne von Da-sein-Lassen). Das ist viel schwieriger und langwieriger als an zehn Fingern Dinge aufzuzählen, für die ihr dankbar seid (bzw. sein solltetetetettt !!!! !!!! !!!!), aber auf lange Sicht, so glaube ich, erfolgsversprechender. Und zufriedenmachender. Und ehrlicher.

Wenn Du nur endlich Dein „Warum“ gefunden hast, rollt das Universum den roten Teppich vor Dir aus

Ja, wir sollten wissen, wofür wir etwas tun. Intrinsische Motivation, also eine Motivation, die von innen heraus, aus dem Herzen und der Seele kommt, trägt uns weiter als all die guten Gründe, die der Verstand und die Vernunft vielleicht vorbringen mögen. Ich finde es mega, für etwas zu brennen und mit Leidenschaft bei der Sache zu sein. Im Flow und im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen und Wünschen und Träumen. Das alles ist verdammt gut und gesund.

Aber.

Das „Warum“ wird allmählich überstrapaziert, um nicht zu sagen entstellt. Das „Warum“ sitzt bei Heidi Klum auf dem Friseurstuhl und kriegt unter Tränen eine neonorangene Kurzhaarfrisur, um im Business bessere Chancen zu haben. Das „Warum“ ist inzwischen ein quietschbunter Schatten seiner selbst und das ist nicht gut. Zum einen ist das „Warum“ ein Verkaufsschlager. Wie Pilze sprießen die Workshops aus dem Boden, in denen Dir jemand anders dabei helfen will, wie Du herausfindest, was Du eigentlich willst (vorausgesetzt Du kannst die Kohle dafür aufbringen). Was aber viel schlimmer ist:

Das „Warum“ wird immer mehr mit „Berufung“ vermischt und verwässert. Und „Berufung“ (die wiederum auch grundsätzlich etwas Gutes meint) wird in der „Branche“, zumindest für mein Gefühl, immer größer aufgeblasen. „Berufung“ scheint nicht mehr „zufriedene Erfüllung im eigenen Leben“ oder „etwas, in dem ich aufgehe“ zu meinen, sondern eine vom Universum eigens für Dich ausersehene Mission, die Dich zu der oder dem „Auserwählten“ macht. Aber wir kennen das ja schon aus diversen Comics und Filmen: Die Superhelden haben unter ihrer „Auserwählung“ schon auch zu leiden, die ist schon auch eine Bürde. Sie können mit der Liebe ihres Lebens nicht zusammen sein, sie müssen die Welt retten und können nicht einfach mal guten Gewissens netflixen … es ist schon nicht alles rosig. Aber dafür ist man halt was ganz Besonderes.

Wenn wir das „Warum“ und die „Berufung“ derart aufblasen und mit glitzernden „Ich bin vom Universum auserwählt“-Orden zuhängen, geht uns die Leichtigkeit verloren. Wir mögen uns zwar mehr oder minder erfolgreich einreden können, dass unser Leben einen höheren Sinn hat und wir die Welt oder zumindest die Menschheit retten werden, aber das baut wiederum auch gehörig Druck auf und macht unser Leben nicht zwangsläufig zufriedener. Es ist gut zu wissen, warum wir tun, was wir tun (oder worum es in unserem Leben gerade gehen soll). Wenn wir das wissen, befinden wir uns im Einklang mit unserem Wesen und unseren Werten und leben einfach authentisch. Aber vielleicht können wir „das Warum“ auch einfach sein lassen, was es seiner Natur nach ist: Eine Frage – die wir uns immer wieder stellen und für uns aufrichtig beantworten können. Vielleicht führt sie uns zu unserer „Berufung“, unserer „Lebensaufgabe“, unserer „Mission“ – wer weiß. Vielleicht macht sie unser Leben aber auch einfach nur gerade jetzt ein bisschen authentischer – und das ist vollkommen in Ordnung.

Wenn Du nur fest genug visualisierst, wird es wahr

 

Klingt wie aus dem Märchen: Wenn Du es Dir nur fest genug wünschst, wird es wahr. In der Erwachsenen-Version sagen wir nicht mehr unbedingt „wünschen“, wir visualisieren oder manifestieren, das ist aber nix anderes als „Wünschen und vorstellen bis es wahr ist“. Das Schöne ist, dass es eigentlich gar nicht so viel Aufwand erfordert. Wir können fast überall und jederzeit visualisieren und manifestieren (die Profis machen das im Rahmen einer Meditation, aber rein theoretisch geht es überall) und brauchen dann nur abzuwarten bis das Universum das große Tischlein-Deck-Dich mit uns veranstaltet.

Das Vertrackte an der Sache ist: Es funktioniert tatsächlich. Und das versetzt die Leute gerade scharenweise in Ekstase. Aber die Sache funktioniert nicht, weil Du Dir das so doll gewünscht hast, sondern weil Du Dinge in die Wege leitest, indem Du Deinen Fokus veränderst. Gleiches Prinzip auch: Du willst abnehmen und siehst ständig Leute Sahnetorten schlemmen oder Du willst schwanger werden und triffst plötzlich überall auf Schwangere. Das Prinzip ist nicht „Wünschen und es wird wahr“, sondern „Aufmerksamkeit auf etwas richten und in diese Richtung gehen“. Du selbst bewegst die Dinge, nicht irgendwelche kosmischen/physikalischen Gesetze jenseits von Dir, die Dir etwas gewähren wie eine gute Fee.

Was ich eigentlich sagen wollte: Stichwort „Selbstermächtigung“

Wir neigen in der Persönlichkeitsentwicklung gerade wieder dazu, Verantwortung abzugeben, auszulagern, wegzudrücken. Das Universum wird es richten. Es teilt uns unsere große Lebensmission zu und es gewährt uns unsere Wünsche, wenn wir nur feste visualisieren. Was da aber wirklich passiert: Wir machen uns klein und weisen Verantwortung von uns, anstatt unser Leben selbst so richtig in die Hand zu nehmen und es selbst zu lenken. Es ist toll eine Mission zu haben, von mir aus auch ein „Warum“ und dafür richtig reinzuhauen. Aber gib Du Dir selbst die Erlaubnis dazu und wälz‘ das nicht aufs Universum ab. Du erwählst Dich aus das zu tun, wofür Dein Herz schlägt. Und das ist vollkommen legitim. Und wenn wir unser Leben nach unseren Werten, Wünschen und Bedürfnissen umformen wollen, dann wird uns das Mühe kosten. Wir werden Dinge aktiv verändern, Konflikte durchstehen und eventuell mit Dingen oder Menschen brechen müssen. Visualisieren und Manifestieren ist toll, aber eben nur allerhöchstens die halbe Miete.

Eine Ausnahme: Fast keine Empfehlungen.

Eigentlich wollten wir in unseren Mindpower-Beiträgen ja Blogs, Podcasts, Artikel, Bücher teilen, die uns im vergangenen beeindruckt haben. Im Juni war die Sache aber irgendwie andersherum. Ich habe im Gegenteil kräftig ausgemistet. Podcasts, in denen jemand nur aus seinem eigenen Nähkästchen plaudert, im Titel aber die Lösung aller meiner Probleme versprochen hat. Oder Blogs, die mir einhämmern wollen, dass mein Leben ohne die eine riesige, alles überschattende welterrettende Berufung quasi verwirkt ist und mir im gleichen Atemzug zeigen wollen, wie ich diesen einen Lebenszweck finden kann. (Es ist im übrigen immer das, was Du als Kind schon gern gemacht hast oder worüber Du die Zeit vergisst, nur um das abzukürzen).

All das drückt nämlich nur einen einzigen Knopf: Du und Dein Leben – ihr seid jetzt noch nicht gut genug.

Seid ihr aber. Bist Du aber. Weil Du entscheidest, ganz allein Du.

Nach der ganzen Abhandlung von eben habe ich aber doch noch eine Empfehlung. Und zwar ist Luisa diesen Monat auf einen wunderbaren Blog gestoßen. Cora schreibt auf „Seelengrün“ sehr authentisch und liebenswert über ihre Reise zu Selbsterkenntnis, Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge und macht auch um unangenehme Themen keinen Bogen. Große Leseempfehlung!

 


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