Es gibt ein Wort. Wir erlernen es ziemlich früh in unserem Leben. Sogar eine gewisse „Phase“ ist danach benannt. Die Rede ist von: „Warum“. Als Kleinkinder wollen wir den Grund für alles wissen: Warum ist die Sonne hell? Warum ist Oma alt? Warum darf ich mit meinem Spinat keine Höhlenmalereien auf der Blümchentapete machen? Auch nach dieser Phase werden wir das „Warum“ nicht wirklich los. Es begleitet uns weiterhin durchs Leben. Immerzu wollen wir wissen: „Warum“?
Viele Coaches raten wärmstens dazu, sich zu überlegen, was wohl das eigene „Warum“ im Leben sein könnte. Gemeint ist: Der Grund unseres Daseins, unsere Mission, die Vision, unser Antrieb. Warum (zum Kuckuck) sind wir denn überhaupt hier?
Und? Hast Du die Antwort darauf parat?
Der große „Warum-Fluch“ – eine kleine Kritik
Wir lieben diese „Warums“. Anders kann ich mir nicht erklären, warum wir sie ständig mit uns herumschleppen wollen. Dabei erhalten wir fast nie eine Antwort darauf. Frustrierend.
Selbst diejenigen, die ihr „Warum“ vermeintlich kennen, können auch nur eine Antwort darauf geben, was sie jetzt gerade im aktuellen Moment antreibt. So ehrenwert manche Lebenszwecke, Ziele und Visionen auch sein mögen – wir können sie nicht in Stein hauen, selbst, wenn wir wollten. Ob etwas wirklich unser „Warum“ war, werden wir vielleicht erst am Ende unseres Lebens mit letzter Gewissheit sagen können (und selbst da habe ich Zweifel, denn unser Leben ist eben sehr vielschichtig und voller Veränderungen). Ich bin mir sicher, dass mehr in uns steckt, als ein einziges „Warum“. Wir sind ja keine Scheren, Hämmer oder Bügeleisen, die einzig dazu erschaffen sind zu schneiden, zu hämmern oder zu bügeln.
Unser geliebtes „Warum“ ist auch in einer anderen Hinsicht problematisch. Auch im Umgang mit unseren Mitmenschen spielt das ewige „Warum“ gerne den Quertreiber. Beobachte Dich selber: Wie oft fragst Du Dich „Warum macht er/sie das?“ oder „Warum ist er/sie so?“. Wir neigen in der Regel sehr stark dazu, alles analysieren zu wollen. Kommt uns jemand quer, dann fragen wir uns unwillkürlich, was er oder sie im Schilde führen könnte. Diese Hobbypsychologenbrille steht uns selten gut. Denn auch hier: Letztendlich werden wir keine wirkliche Antwort auf unser „Warum“ erhalten. Alles, was wir tun können, ist spekulieren. Dabei wälzen wir unser „Warum“ gebetsmühlenartig in unserem Oberstübchen herum und rauben uns selbst unsere kostbare Zeit, meist ohne eine halbwegs zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Und selbst wenn wir eine bekämen – was würde es ändern? Der oder die andere wäre uns trotzdem quer gekommen und geärgert hätten wir uns trotzdem.
Das geht besser. Wir müssen dafür nur einen einzigen Buchstaben tauschen:
Nicht „Warum“ sondern „Worum“
„Warum“ ist eine Kurbel, die das Gedankenkarussell immer weiter im Kreis dreht. „Worum“ hingegen gibt eine gerade Richtung vor. Anstatt uns in Spekulationen zu verlieren, richten wir unseren Blick auf den Weg oder sogar auf ein Ziel. Während wir uns ein Problem mit „Warum“ einverleiben, können wir mit „Worum“ noch Abstand halten. Wenn Dich Dein Lieblingskollege das nächste Mal mit seinem Frust beladen will: Frag‘ Dich nicht zähneknirschend „Warum macht er das nur?“ sondern frage ihn (und vielleicht auch Dich): „Worum geht es hier eigentlich wirklich?“
Ich wage eine steile These: Dein nerviger Kollege hat heute nicht den Plan gefasst, Dir so richtig auf den Sack zu gehen. Es ist etwas anderes, das ihn wirklich umtreibt. Fragst Du ihn „Worum geht es hier eigentlich?“, spielst Du ihm den Ball zu und zwingst ihn, sich über sein Handeln Gedanken zu machen, anstatt Dir selbst das Hirn zu zermatern, warum um Himmels Willen Du nun schon wieder das Opfer seines Angriffs geworden bist. Netter Nebeneffekt: Nervkollege Nummer 1 wird seinen Frust diesmal nicht bei Dir los (und vielleicht auch nie wieder).
Nicht Berufung sondern Ziel
Wenn wir noch ein bisschen tiefer graben: Das „Warum“, an dem wir so hängen, ist leider verdammt schwammig. Es ist mystisch, schwer zu fassen, man verfällt fast sofort ins Pathetische, wenn man versucht, sein „Warum“ zu formulieren. („Warum bin ich hier?“ – Ich möchte der Menschheit den Weltfrieden bringen …) Sorry, wenn ich zynisch klinge. Aber du weißt, was ich meine, nehme ich an. „Warum“ hilft uns selten so richtig gut. „Warum“ ist einfach so verdammt groß.
„Worum“ lässt sich etwas besser handhaben, finde ich. Es kann jedoch bisweilen unbequem werden, weil es Dich zwingt, ganz genau hinzuschauen. Worum geht es Dir genau?“ Worum geht es dabei?
Wenn Du beispielsweise gerade Deinen achtstündigen Arbeitstag in irgendeiner Tretmühle absitzt, der Du eigentlich nichts abgewinnen kannst, dann kann „Worum“ auch frustrierend sein. „Es geht mir darum, einen Job zu haben und Geld zu verdienen, damit ich nicht arbeitslos werde …“ – Das kann weh tun. Aber es ist auch eine klare Erkenntnis.
Wenn Du gerade mit Deinem Partner zum millionsten Mal darüber streitest, wer öfter den Abwasch macht, dann kann „Worum geht es hier eigentlich?“ auch Dinge ans Tageslicht fördern, die man gerne unter einem Berg schmutzigem Geschirr begraben hätte. Kann, muss aber nicht. Vielleicht hat Partner 1 nur einen blöden Tag gehabt. Aber auch diese Erkenntnis, würde helfen.
Kurz und knapp: „Worum“ ist nicht so spannend wie „Warum“. Es wird Dir nicht den wahren Sinn Deiner hehren Existenz verraten wie das Orakel von Delphi. Aber es heftet Deine Füße auf den Boden der Tatsachen. Und nur dort kannst Du etwas (und Dich) bewegen – hin zu einem Ziel.
Kann zu einem sehr spannenden und endlosen Thema werden *lach*. Mit diesem Thema der ‚Warum-Fragen‘ habe ich mich auch eine gewisse Zeit beschäftigt. Selten stelle ich heute noch Fragen mit einem ‚Warum‘, eigentlich nur, wenn ich unbewusst bin. Dabei habe ich auch erfahren (keine Ahnung ob etwas dran ist), dass man gerade Kindern keine ‚Warum-Fragen‘ stellen sollte, da sie diese meist nicht gut beantworten können. Die Fragen bei Kindern sollten scheinbar mit ‚Was‘ beginnen.
Was ich vom Leben glaube? Das meine Seele sich in dieser Welt selbst erfahren möchte und es am Ende keine Rolle spielt, ob ich erfolgreich, reich, schön, perfekt oder sonstiges war – zumal wir bestimmt nicht an einem Tor bei Eintritt in den körperlichen Tod danach gefragt werden ;o) Mein persönlicher Glaube oder Gedanke, meine Seele möchte sich zum Ausdruck bringen in all seinem Sein, möchte in der Welt der Formen einfach Erfahrungen mit anderen Seelen machen. :o)
Liebe Grüße, Lill
Hey Lill!
Das mit den Kindern wusste ich noch gar nicht, klingt aber total einleuchtend. Ich finde es ja auch als Erwachsene schon schwierig, diese „großen“ Warum-Fragen bzw. die Frage nach diesem einen „Warum“ zu beantworten. Ich bin allerdings auch überzeugt – der Grad unserer „Perfektheit“ wird am Ende wahrscheinlich nicht das Wichtigste sein. 🙂
Liebe Grüße
Christina
Hallo ihr beiden,
ich bin über Luisas Kommentar bei mir hierher gekommen und das hier ist der erste Beitrag, den ich bei euch lese… und wow – super spannendes Thema!
Überall heißt es „Finde dein Warum“. Ich finde allerdings, dass das auch ordentlich Druck macht. Auf vielen Blogs über Persönlichkeitsentwicklung wird einem suggeriert, dass das Warum der größte Antrieb sein muss – und ich hatte oft das Gefühl, mein eigenes „Warum“ wäre zu „lasch“. Und wie ihr schon schreibt, entsteht dadurch nur ein Gedankenkarusell.
„Worum“ als Alternative gefällt mir daher sehr gut. Worum geht es mir – as klingt wesentlich weniger pathetisch nimmt den Druck eher raus. Weil man mehr in die Rolle des Beobachters kommt, als in die des Betroffenen. Ihr merkt, damit habt ihr mir etwas zum Nachdenken gegeben… 🙂
Danke für den Ansatz und diesen tollen Beitrag!
Liebe Grüße,
Chrissi
Hallo Chrissi!
Danke für Deinen lieben Kommentar und schön, dass Du zu uns gefunden hast! Ja, ich muss sagen, als ich von „Worum“ statt „Warum“ gehört habe, hat das bei mir auch echt direkt „klick“ gemacht. Ist zwar sicher Geschmacksache, aber ich finde es wirklich so herrlich praktisch mit „Worum“ zu arbeiten. Wobei mir der „Kniff“ bislang tatsächlich besonders in Konfliktsituationen total gute Dienste geleistet hat. Es löst sich überraschend viel in Luft auf, wenn man einfach mal ein „Worum geht es Dir/hier eigentlich?“ in den Raum stellt. 🙂
Liebe Grüße
Christina